„turn up the air condition“
Der Lohn war verlockend, aber nach den Berichten eines Kumpels nach seiner ersten Nachtschicht habe ich dann doch lieber davon abgesehen. Hoffnungslos unterbesetztes Heim. Ein Pfleger zuständig für 20 demente Senioren, die mit ihren von Hautnekrose befallenen Händen schon auch gerne mal zuschlagen. Acht Stunden lang Windeln wechseln, Durchfall spritzt durch die Luft. Und in Anbetracht eines aschfahlen, bewusstlosen und in einer großen Blutlache liegenden alten Mannes den schon gerufenen Krankenwagen abbestellen müssen, da der doch viel zu teuer sei.
Krankes Krankenhaus, hier will man nicht alt sein.
Die letzten Wochen waren durchaus nicht von ausschweifendem Lebensstil gezeichnet, beschönigend könnte man noch von einer interessanten Erfahrung reden, was in Australien eigentlich immer heißt "alles scheiße grade" - und das französisch ist in diesem Fall wirklich angebracht. Nachdem ich ja den medical test in Melbourne wegen übermäßigem Alkoholkonsum in der Woche davor nicht machen konnte und ich so nur 1000 statt der geplanten 3100 Dollar hatte, und ich wie erwähnt relativ blank in Darwin angekommen war, habe ich lange Zeit jede Art von Konsum auf 0 schrauben müssen. Zum schlafen musste man nachts in den Hostelschlafsäälen nach freien Betten suchen, wenn nicht vorhanden im Auto schlafen, was bei der schwülen Hitze wirklich Dampfbad-qualitäten bot. Nur eben, dass man auf Polster saß, und die Luft eher nach Schuh und altem Essen als nach Eukalyptus roch. Die Alternative 'Park' war ähnlich erfrischend. Unmengen an Moskitos und Ameisen, und dann die besoffenen Aborigines die mal stinkend und bewusstlos herumlagen, mal penetrant bettelnd und klammernd daherkamen aber auch mal sich gegenseitig verprügelnd und laut schreiend durch den Park rollten. Gruseliges Volk, wenigstens die die von ihren Communitys vorstoßen wurden und in den weißen Städten nicht wirklich klarkommen. Vermutlich tun sie hier dabei das gleiche was sie in der Natur tun, wenn sie stundenlang unter einem Baum sitzen - doch in urbanem Millieu erscheint das einem nunmal als nicht ganz adäquate Lebensweise...
Nunja nach katastrophalen Nächten ging es morgens dann in den Hafen um auf Booten nach Jobs zu fragen, danach in die Stadt um Lebensläufe abzugeben, sich bei employment agencies zu registrieren oder auf Baustellen nach Arbeit zu fragen. Die Tageszeitungen boten selten etwas für 'unskilled workers', und wenn, dann wurden die Stellen ohnehin meist von locals besetzt, aber in der Not fälschte man gerne Lebensläufe, behauptete Erfahrung ohne Ende zu haben und für mindestens zwölf Monate in Darwin bleiben zu wollen - dennoch erfolglos. Ziemlich deprimierend und da man eben nicht einmal ein Dach über dem Kopf hatte gab es keine Möglichkeit sich mal zurückzuziehen oder zu entspannen. Dann begannen die Arafura Games, eine große inderdisziplinäre Sportveranstaltung, quasi Mini-olympia für Ozeanien. Die Hostels waren voll, und es gab immer mehr Leidensgenossen die kein Dach überm Kopf hatten. Ich tat mich schlussendlich mit einem Norweger und einer Deutschen zusammen und wir versuchten eine Wohnung oder ein Hostel zu finden. Die Campingplätze waren preislich ähnlich wie die Hostels, so entschieden wir uns, illegal zu campen, in Parks oder auf Parkplätzen im Auto. Leider gibt es aber viel Security in Darwin und so konnte man kaum 2-3h schlafen bevor man von unfreundlichen Beamten mit großen Hunden zum weiterziehen genötigt wurde. Oder man wurde des Nachts von Wassersprenklern komplett eingenässt. Das ging so über 1,5 Wochen, aber schlussendlich fand ich wenigstens 2 Jobs. Einmal Pizza delivery driver und einmal als cleaner. Vor 3 Tagen fanden wir nun endlich Platz in einem Hostel. 30 Dollar am Tag kostet das, also 3 Stunden Pizza liefern. Aber es tat und tut unheimlich gut nach 2 Wochen mal wieder in einem Bett zu schlafen. So sieht die Lage momentan aus. Ich arbeite nun morgens bis nachmittags 8-10 Stunden als cleaner oder helfe beim Gartenbau aus, und kann abends noch 2-3 Stunden Pizzen liefern, und so gute 180 Dollar pro Tag von Mo-Fr verdienen.
Letztens hat sich sogar das Casino gemeldet bei dem ich vor einiger Zeit ein Vorstellungsgespräch hatte, und bot mir einen Vollzeit Job an. Unregelmäßge Arbeitszeiten bewogen mich aber dazu den cleaning job vorzuziehen, zumal ich hierbei als Kleinunternehmer arbeite, wofür ich zwar erstmal eine spezielle Steuernummer brauchte und eigentlich auch meine eigenen Steuern zahlen muss, de facto aber den Lohn komplett behalten kann, da ich als backpacker eh bald raus bin aus dem Land, und die Behörden hier einen nicht belangen dafür, wenn man außer Landes ist.
Zudem hoffe ich Anfang Juni auf einem pearling Bott anheuern zu können, aber das wird sich noch zeigen. Ich hoffe, wenn ich weitere 5 Wochen hier bleibe genug Geld sparen zu können für die Westküste. Soweit ist jedenfalls wieder alles unter Dach und Fach hier.